Prof. Dr. Dieter Hänssgen, seit 2001 pensionierter Hochschullehrer für Anorganische Chemie wurde in Tokio geboren, wohin es die Familie aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Vaters geführt hatte. Nach Kriegsende, Tod des Vaters und Ausweisung der Familie nach Deutschland legte Dieter Hänssgen das Abitur 1954 in Jena ab. Er immatrikulierte sich zum Wintersemester 1957/58 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Zwischen Abitur und Immatrikulation lagen die Flucht in die Bundesrepublik sowie das Bestehen der Anerkennungsprüfung zu seinem Abitur. Während seines Chemiestudiums, das er 1966 mit dem Diplom abschloss, war Dieter Hänssgen wiederholt beurlaubt und arbeitete während dieser Zeiten außerhalb der Universität zur Finanzierung seines und des Lebensunterhalts seiner Familie. Bereits 1968 erfolgte dann seine Promotion in der Gruppe von Prof. Dr. Rolf Appel am Institut für Anorganische Chemie mit einer Arbeit zu elementorganischen Schwefel-Stickstoff-Verbindungen. Die Dissertation „Zur Kenntnis der S,S-Dialkyl-sulfodiimine“ wurde mit summa cum laude bewertet und mit dem Promotionspreis der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Bonn ausgezeichnet. Nach einem mehrjährigen Postdoktorat am Institut für Anorganische Chemie der Uni Bonn wurde er ebenda zunächst zum akademischen Rat (1971) und kurze Zeit später zum Oberrat ernannt (1973). 1974 habilitierte sich Dieter Hänssgen für Anorganische Chemie mit seinen Arbeiten zu „Reaktionen von Organylstannanen mit Schwefel und Schwefel-Stickstoff-Verbindungen“ und wurde 1982 in Anerkennung seiner Leistungen in Forschung und Lehre auf eine außerplanmäßige Professur berufen. Dieter Hänssgen wirkte mehr als 35 Jahre als Wissenschaftler und Hochschullehrer an der Universität Bonn. In dieser Zeit hat er auch maßgeblich am Umzug der chemischen Institute aus dem Kekuléschen Gebäude in Poppelsdorf in die Gerhard-Domagk-Straße mitgewirkt.
Dieter Hänssgen hat mit seinen Arbeiten zur elementorganischen Chemie von Schwefel, Stickstoff und Zinn wesentliche Beiträge zur Synthese und zum Reaktions-verhalten dieser Verbindungsklasse geleistet. Exemplarisch für ca. 70 Originalarbeiten seien genannt:
- Zur Synthese gemischt substituierter Schwefeldiimide (mit B. Ross, Z. Anorg. Allg. Chem. 1981)
- Eine einfache Methode zur Herstellung stannylierter Diaminosulfane (mit R. Plum, Chem. Ber. 1987)
- Insertions- und Imintransfer-Reaktionen mit Schwefel und N-stannylierten Schwefel-imiden (mit H. Salz, S. Rheindorf, C. Schrage, J. Organomet. Chem. 1993)
- Synthese und Struktur C,N-difunktionalisierter Sulfinimidamide (mit H. Hupfer, M. Nieger, M. Pfendtner und R. Steffens, Z. Anorg. Allg. Chem. 2001)
Eindrucksvoll spiegeln diese Arbeiten die Entwicklung der elementorganischen Chemie über 40 Jahre wieder. In dieser Zeit haben sich die ursprünglichen Schwerpunktsetzungen auf ausgefeilter Synthese und eingehendem Studium des Reaktionsverhaltens hin zur detaillierten physikalisch-chemischen Charakterisierung mit der Analyse der Bindungsverhältnisse
verschoben.
Als Hochschullehrer hat Dieter Hänssgen über Jahrzehnte in Bonn die Grundausbildung von Chemikern, vor allem aber von Studierenden der Medizin, Pharmazie und Biologie bestimmt. Ausweis für sein diesbezügliches großes Engagement und Talent sind die beiden Lehrbücher „Chemie für Pharmazeuten und Naturwissenschaftler“ (mit Th. Eicher) und „Kurzlehrbuch der Chemie für Studierende der Medizin und Biologie“ (gemeinsam mit B. Ross). Die in klarer Sprache verfassten und auf das Wesentliche beschränkten Texte waren für Generationen von Studierenden eine willkommene Hilfe beim Einstieg in die Chemie. In diesem Zusammenhangsoll auch nicht unerwähnt bleiben, dass Dieter Hänssgen für Studierende und Mitarbeiter immer ein offenes Ohr hatte und seine Ratschläge von Studierenden und jüngeren Kollegen dankbar aufgenommen wurden. Sehr gerne hat er den Austausch mit seinen Mitmenschen gesucht und diese an seinen vielfältigen Lebenserfahrungen teilhaben lassen.
Neben den universitären Aufgaben ist Dieter Hänssgen bis ins hohe Alter seiner Leidenschaft für das Fahrradfahren und den Wanderungen mit seiner Gattin in der Eifel wie auch in den Urlauben im bayrischen Rottenbuch nachgegangen. Hierbei konnte er auch seinem Hobby der Naturfotografie nachgehen. Zudem war er in jüngeren Jahren gerne gesehener Gast in der Rudergruppe seines Kollegen Prof. Dr. Bernd Ross bei den wöchentlichen Ausfahrten wie auch der jährlichen Wanderfahrt auf der Lahn.
Die Fachgruppe Chemie und das Institut für Anorganische Chemie der Rheinischen Friedrich-
Wilhelms-Universität werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Unsere Anteilnahme gilt
seiner Familie.
Der Vorsitzende der Fachgruppe Chemie
Prof. Dr. Arne Lützen
Der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Anorganische und Analytische
ChemieProf. Dr. Alexander Filippou
Bonn, März 2023